zum Inhalt springen

Ein schwerer Start ins Leben

Elena im Alter von 8 Jahren

Als Elena am 17.05.2004 das Licht der Welt erblickte, waren dies aufregende Stunden nach einer völlig komplikationslosen Schwangerschaft. Elena wollte auch nach 10 Tagen über Termin noch nicht auf die Welt kommen. Die Geburt musste eingeleitet werden, am Ende stand ein Notkaiserschnitt aufgrund drohenden Sauerstoffmangels. Alles ging so weit gut, aber unser Glück währte nicht lange. Gleich am nächsten Tag wurde Elena auf die damalige Frühchenstation der Uni-Frauenklinik zur Beobachtung verlegt. Mit der Feststellung, sie erschöpfe sich schnell und dem Anraten sofort nach Entlassung aus der Geburtsklinik das Herzzentrum zur weiteren Diagnostik aufzusuchen, wurde sie uns nach bangen Tagen des Wartens wieder überlassen.

Was nun folgte, versetzte uns einen Schlag nach dem anderen: Mit nur 9 Tagen musste Elena am Herzen operiert werden. Die Intubation und vor allem die nachfolgende Extubation gestalteten sich so schwierig, dass Elena mit nur 14 Tagen einen Luftröhrenschnitt erhalten musste. Diagnose: eine angeborene langstreckige Verengung der Luftröhre. Elena bekam eine Spezialanfertigung verpasst, eine Kanüle, so lang wie ihre Luftröhre, die ihr mit lediglich einem Durchmesser von 3,5mm die Luft zum Atmen sicherstellen sollte.

Lange sorgenvolle Monate auf der ITS der Uni-Kinderklinik folgten. Mit 5 Monaten durfte Elena zum ersten Mal nach Hause. Elenas Kinderzimmer sah aus wie eine Intensivstation: Absauggerät, Inhalator, jede Menge Hilfs- u. Pflegestoffe.

Die folgenden Monate waren ein stetes hin und her zwischen Klinik und Zuhause. Die Angst war nun unser ständiger Begleiter, und so haben wir abwechselnd Nachtwache gehalten. Zu groß war die Gefahr, dass bei Elenas zähem Sekret die dünne Kanüle verstopfen könnte. Zusehends machte ihr die Kanüle zu schaffen. Beim Wechsel der Metaline weinte sie herzzerreißend und immer öfter blutete es aus dem Kanülenausgang. So konnte es auf Dauer nicht weitergehen.

Abenteuer Madrid
Wir betrieben lange und intensiv Internet-Recherche. Wie wir lernten, ist das Operieren von Luftröhren im Babyalter äußerst riskant, die Sterblichkeit hoch. Aufgrund des seltenen Auftretens dieser angeborenen Verengung gibt es zudem weltweit nur eine Handvoll Zentren, die sich überhaupt an dieses schwierige Thema heranwagen. Wir sind „in der Nähe“ fündig geworden: die Kinderklinik Gregorio Maranon in Madrid operiert; die Fallzahlen mit knapp über 30 Kindern nahezu „gigantisch“ im Vergleich zu anderen Zentren.

Einen Krankenhausaufenthalt von Elena haben wir genutzt, um nach Madrid zu reisen und mit dem dortigen Chirurgen zu sprechen. Danach ging alles ganz schnell: bei der Krankenkasse die Formalitäten klären, Flug buchen etc. Und es war keinen Moment zu früh. Elena ging es immer schlechter.

Die OP verlief äußerst schwierig, dauerte sehr lange. Wir standen tausend Ängste aus. Ein erschöpfter Chirurg teilte uns dann mit, dass sich Elenas Luftröhre in solch einem katastrophalen Zustand befand, dass er die geplante Technik gar nicht anwenden konnte. Dank seiner „goldenen Hände“ konnte er auf andere Weise die Verengung operieren. Aber von Erleichterung konnte noch keine Rede sein. Die Genesung im Krankenhaus, zuvor auf 3 Wochen angesetzt, zog sich fast 3 Monate hin. Elena konnte kaum ohne Unterstützung atmen. Die Luftröhre musste mehrfach gedehnt werden, einmal riss sie dabei ein und verursachte einen Pneumothorax – Elena musste reanimiert werden … Es waren ganz schwierige Wochen.
Endlich durften wir in die Heimat abreisen – um Elena nach nur 2 Tagen wieder mit großer Atemnot in die Uni-Klinik zu bringen. Kurzentschlossen brachen wir erneut nach Madrid auf. Elena ging es plötzlich so schlecht, dass wir das Schlimmste befürchten mussten. Die Ärzte und Schwestern behandelten uns wie rohe Eier. Dr. Matute entschloss sich, eine zweite OP zu wagen. Und entgegen aller Erwartung – diesmal verlief alles wunderbar! Elena hat sich sehr schnell erholt.

Wir entschlossen uns, vorsichtshalber noch 3 Monate in Madrid zu bleiben, um sicher zu stellen, dass es Elena wirklich dauerhaft gut geht, bevor wir wieder nach Hause zurückkehren. Diese Zeit verlief komplikationslos, und im September 2005 traten wir optimistisch die Heimreise an.

Neuanfang, Neue Sorgen
Glücklich wieder zu Hause angekommen, Elena war die Kanüle los. Nun konnte es an Frühförderung und die nötigen Therapien gehen. Elena hatte so viel Zeit im Krankenhaus verbracht, der Entwicklungsrückstand war riesig.

Nach der OP würde die Luftröhre noch sehr lange Zeit weich sein. Dies hatte zur Folge, dass wir nachts unzählige Male aufgestanden sind, um Elena in eine möglichst optimale Schlaf- u. Atemposition zu bringen. Aber sie war wie ein Wiesel. Nicht selten war nach kurzer Zeit wieder das beängstigende Röcheln zu hören, und erneut hieß es drehen und wenden. Dies zog sich über ein Jahr so hin. Ein Leben lang würde Elenas Luftröhre als Reaktion auf die starken Vernarbungen viel Sekret produzieren, so dass das mehrmalige Inhalieren nach wie vor auf dem Plan stand.

Neben den organischen „Baustellen“, die nun soweit unter Kontrolle waren, erwartete uns im zweiten Lebensjahr eine weitere Hiobsbotschaft: Seit Elenas Geburt war die Humangenetik der Uni am Forschen, welches genetische Syndrom sie wohl hat. Dass es sich um eines handelt, stand aufgrund der diversen Fehlbildungen und ihrer auffälligen Physiognomie außer Frage. Nun gab es ein Ergebnis: Elena hat das Mowat-Wilson-Syndrom. Dies ist ein äußerst seltenes Syndrom, welches mit schwerer geistiger Behinderung einhergeht. Diese Nachricht hat uns sehr zugesetzt. Wir wünschten uns einfach nur, dass nicht ständig zu den ohnehin schon vorhandenen Schwierigkeiten noch weitere hinzukommen würden, das berühmte „Licht am Ende des Tunnels“.

Lange darüber grübeln konnten wir nicht. Der Alltag hat uns voll gefordert, denn Elenas Gesundheit war stets sehr fragil und viele Jahre lang erlitt sie unzählige Infekte und mehrere Lungenentzündungen pro Jahr; damit einhergehend jeweils lange Aufenthalte auf der ITS der Uni-Klinik. Mehrere Male wurde es dabei äußerst kritisch, und neben Elenas starker Kämpfernatur haben wir es den Ärzten der Uni-Klinik zu verdanken, dass sie noch bei uns ist.

Hilfe in Sicht – Bärenherz sei Dank
Die vielen Jahre voller Sorge, der chronische Schlafmangel, Beruf und Haushalt zu stemmen – es hat unendlich viel Kraft gekostet. Und die Akkus waren leer. Aber trotz der Erschöpfung waren wir noch weit davon entfernt, uns Hilfe zu holen.

Durch die Geburt von Elenas kleinem Bruder im Jahr 2008, die so viel Freude ins Haus brachte, aber natürlich auch zusätzliche Beanspruchung, dachten wir neu darüber nach. So viel Gutes hatten wir vom Elternkreis des SPZ über das Kinderhospiz Bärenherz gehört. Und im Sommer 2010 war es dann soweit: Einen ersten Erholungsurlaub sollte es für uns geben, während Elena Urlaub im Hospiz macht. Wir waren schlichtweg begeistert. Denn nicht nur, dass es für uns Aussicht auf Urlaub geben sollte, genießen würden wir das ja nur können, wenn wir Elena während dessen wirklich gut aufgehoben wussten. Und das war sie! Nicht nur, dass die räumliche Atmosphäre im Bärenherz sehr freundlich und warm ist, allem voran ist es die äußerst liebevolle und kompetente Betreuung durch die Schwestern, die uns ein tiefgreifend gutes Gefühl vermittelt hat. Dieser erste Urlaub war eine wunderbare Erfahrung für uns, und mittlerweile durfte Elena bereits mehrere Male im Hospiz zu Gast sein.

Unser Familienleben heute
Elena ist ein großes fröhliches Mädchen geworden. Immer wieder einmal gibt es Krankenhausaufenthalte auf der Intensivstation, aber lebensbedrohlich wurde es zum Glück zuletzt nicht wieder.

Ihre Entwicklung schreitet in nur winzigen Schritten voran. Elena kann nicht sprechen, hat kaum Sprachverständnis und ist in allen Belangen des Alltags in vollem Umfang auf Hilfe angewiesen. Wir haben gelernt, uns nicht mehr so sehr um die Zukunft zu sorgen und im Hier und Jetzt zu leben. Wenn es Elena gut geht, und sie uns anstrahlt, sind die Probleme für diesen Moment vergessen. In Robert hat sie einen wunderbaren Bruder bekommen, der ihr viel Zuneigung schenkt.

Die Aufenthalte im „Bärenherz“ sind für unsere Familie ganz wertvolle Auszeiten vom anstrengenden Pflegealltag geworden. Während dessen genießen wir es sehr, Robert eine Extraportion Aufmerksamkeit schenken zu können und tanken wieder Kraft für den Alltag.

Dass uns und vielen anderen Familien dies ermöglicht werden kann, dafür sind wir dem gesamten Team und allen Menschen, die die Arbeit von „Bärenherz“ unterstützen, sehr dankbar.